Versorgung mit Spurensicherung
Versorgung mit Spurensicherung
In den ersten Stunden und Tagen nach der Tat können die meisten Verletzungen und Spuren festgestellt werden. Damit können belastende Spät- oder Langzeitfolgen begrenzt werden. Eine medizinische Behandlung ist aber auch zu jedem späteren Zeitpunkt sinnvoll und im Interesse der Betroffenen. Es sollte daher auch nicht gezögert werden, sich medizinisch versorgen zu lassen - auch dann, wenn keine sichtbaren Verletzungen vorliegen. Die ärztliche Untersuchung kann direkt nach der Tat in der gynäkologischen Ambulanz einer Klinik oder einige Tage später in einer gynäkologischen Praxis durchgeführt werden.
Eine Dokumentation der Verletzungen macht die Angaben der Betroffenen zu dem Geschehenen überprüfbar. Dies kann für ein strafrechtliches (Anzeige) aber auch zivilrechtliches Vorgehen (Schadensersatz, Schmerzensgeld) von Bedeutung sein. Vielleicht erscheint dies Betroffenen in dem Moment nicht so wichtig, kann sich im weiteren Verlauf aber ändern. Eine gute Befundung lässt sich nicht nachholen.
Wenn sich Betroffene für eine Untersuchung mit einer medizinischen vertraulichen Befundsicherung entscheiden, können Spuren und Verletzungen, die durch die Gewalttat am Körper verursacht wurden, sichergestellt werden. Wenn sich Betroffene später doch für eine Anzeige entscheiden, können diese Befunde die Anzeige unterstützen. Die medizinische Untersuchung und Befundung ist auch ohne sichtbare äußere Verletzungen sinnvoll.
Das Wechseln der Kleidung, deren Reinigung und Duschen zerstören Spuren. Wenn es für Betroffene möglich ist, sollten sie vor der Untersuchung nicht duschen. Benutzte Hygieneartikel (Tampons, Slipeinlagen, etc.) und Unterwäsche können mit in die Klinik gebracht werden. Sie können gemeinsam mit den anderen Befunden aufbewahrt werden. Durch die Tat beschädigte und beschmutzte Kleidung, Bettwäsche oder ähnliches sollte ebenfalls an einem sicheren Ort aufbewahrt werden - nicht luftdicht in Plastiktüten, sondern nach Möglichkeit in Papiertüten.
Die ärztliche Untersuchung und Befundsicherung kann in der gynäkologischen Ambulanz einer der aufgeführten Kliniken durchgeführt werden. Gynäkologische Praxen sind für die Befundsicherung nur in sehr seltenen Fällen ausgestattet. Betroffene werden gebeten, sich wegen einer vertraulichen Befundsicherung möglichst an die Klinik zu wenden.
Begleitung zur Untersuchung
Je nach dem, wie es Betroffenen geht, kann die Anwesenheit von nahen Angehörigen oder vertrauten Personen sehr hilfreich für Sie sein. Nicht immer darf eine Begleitperson Betroffene in den Untersuchungsraum begleiten - sie kann aber am Informationsgespräch teilnehmen und Betroffene zudem mental unterstützen.
Gemeinsames Gespräch
Betroffene sollten im Gespräch mit dem medizinischen Fachpersonal möglichst genau berichten, was geschehen ist, damit sich diese ein Bild über mögliche Verletzungen machen können - und umfassend untersuchen und versorgen können. Das Fachpersonal ist an die ärztliche Schweigepflicht gebunden. Es wird nichts über den Kopf der Betroffenen hinweg oder gegen ihren Willen entscheiden - auch die Polizei darf nicht informiert werden, wenn es der Betroffene nicht wünscht. Es besteht keine Anzeigepflicht für die Ärzteschaft. Betroffene sollten gemeinsam mit ihnen beraten, wie sie vorgehen möchten.
Untersuchung und Arztbrief
Der Ablauf der Untersuchung erfolgt in Hessen nach einem Leitfaden der folgende Schritte vorsieht:
- Informationsgespräch
- körperliche Untersuchung
- Genitaluntersuchung
- Abklärung von Maßnahmen zum gesundheitlichen Schutz (Impfungen bei offenen Wunden, desinfizierende Zäpfchen etc.)
- bei Bedarf erhalten Betroffene einen Arztbrief für eine notwendige Weiterbehandlung.
Für die Entnahme von Blut und Urin zur Untersuchung auf HIV, Hepatitis (B+C) oder für einen Schwangerschaftstest wird das gesonderte Einverständnis der Betroffenen benötigt. Der Abstrich zur Untersuchung auf sexuell übertragbare Erkrankungen sollte zeitnah analysiert werden. Bestätigt sich der Verdacht auf eine Infektion oder wird weiterer Behandlungsbedarf erkennbar, erhalten Betroffene einen Arztbrief zur Weiterbehandlung. Die Untersuchungskosten könne in der Regel über die Krankenkasse abgerechnet werden. Sollten weitere Kosten entstehen werden Betroffene vor Beginn der Untersuchung und Behandlung darüber informiert, so dass sie zustimmen oder ablehnen können.
Bei einer Befundsicherung wird es - aus Kostengründen, aber auch wegen mangelnder ordnungsgemäßer Aufbewahrungsmöglichkeiten - zu einer reduzierten Erfassung und Sicherung von Spuren kommen: Speichel, Haare, DNA-fähiges Material können getrocknet und aufbewahrt werden. Blut und Urin müssen entweder zeitnah und aufwändig im Labor untersucht werden oder in einer aufbereiteten Form tiefgekühlt gelagert werden. Das ist nicht überall möglich. Die für eine evtl. Strafverfolgung wichtigen Befunde werden für eine festgelegte Frist aufbewahrt (siehe unten).
Es wird - wie bei sonstigen Untersuchungen auch - eine Patientenakte angelegt, in der alle Ergebnisse und Befunde festgehalten sind. Diese kann, wenn sich Betroffene später für eine Anzeige entscheiden, von Nutzen sein. Betroffene teilen dann der Polizei mit, dass eine Untersuchung durchgeführt wurde und entbinden das behandelnde Krankenhaus von der Schweigepflicht. Eine Kopie der Unterlagen aus der Akte und die Befunde werden in diesem Fall an die Ermittlungsbehörde ausgehändigt. In einem späteren Verfahren vor Gericht kann das medizinische Fachpersonal zur Aussage geladen werden. Wenn Betroffene keine Anzeige erstatten möchten, werden die Unterlagen über die Befundung nach Ablauf der üblichen Fristen vernichtet.
Untersuchung in einem rechtsmedizinischen Institut
Eine umfassende körperliche Untersuchung auf Verletzungsfolgen und Tatspuren kann auch in einem rechtsmedizinischen Institut durchgeführt werden. Die Kosten müssen von den Betroffenen getragen werden - und können im Falle einer Strafanzeige später erstattet werden. In der Regel ist eine gynäkologische oder urologische Untersuchung dort jedoch nicht möglich.
Institut für Rechtsmedizin
Abteilung Molekularbiologie
Frankfurter Straße 58
35392 Gießen
Telefon (06 41) 9 94 14 11
Fax (06 41) 9 94 14 19
E-Mail: rechtsmedizin@forens.med.uni-giessen.deAbgabezeiten:
Mo – Do: 7.30 –15.00 Uhr
Fr: 7.30 –13.00 UhrAufbewahrung von Befunden & Beweismitteln
In Hessen ist die Aufbewahrung der Befunde nicht überall möglich. In Frankfurt am Main kann das sichergestellte Material von der Klinik an das Institut für Rechtsmedizin zur Aufbewahrung gegeben werden. Dort wird das verpackte Material gelagert und erst im Fall einer Anzeigeerstattung an die Polizei übergeben.
Die Aufbewahrungsfrist in der Frankfurter Rechtsmedizin beträgt derzeit ein Jahr. Nach dieser Frist werden die Proben und Befunde automatisch vernichtet. Achtung: Darüber werden Betroffene nicht mehr gesondert informiert! Das heißt, sie müssen innerhalb von einem Jahr entscheiden, ob die Befunde genutzt werden sollen. Unabhängig davon ist eine Anzeige bis zu 20 Jahre nach der Tat möglich.